Verlust der Segeljacht TAUBE

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Kentern der SY Taube vor der Atlantikküste Marokkos

Auszugsweiser Bericht der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung


"Die BSU geht nach Abschluss der Untersuchung davon aus, dass es sich trotz der außergewöhnlichen Umstände des Segelprojekts insgesamt um einen Schwerwetterunfall handelt, der auch weitaus erfahreneren Segelcrews auf größeren und besser ausgerüsteten Yachten hätte widerfahren können"

Der vollständige Bericht: UBericht_015_09.pdf (2,14 MB)

Am 20. Januar 2009 kenterte die deutsche 8,25 Meter lange Stahlyacht, mit zusätzlichem Schwert, "Taube" mit ca. 50cm Freibordhöhe und sieben Personen an Bord und von Larache/Marokko kommend während des Einlaufmanövers in die 415m breite Mündung des Sebou Flusses an der marokkanischen Atlantikküste. Zielhafen war das 1,5 SM flußaufwärts gelegene Mehdia. Die Taube trieb nach der Kenterung kieloben und versank kurze Zeit später.

Ein Besatzungsmitglied konnte sich schwimmend an Land retten, sechs Crewmitglieder ertranken in der Mündung des Sebou.

Fahrrinne: 
1,8 - 2,8 m in schmalem 80m breitem Korridor an der südlichen Mole

Barre:

Die vorgelagerte Barre begünstigt Grundsee und Brandungs-wellen. Ab Seegangsstärke 5-6 wird die Einfahrt i.d.R. geschlossen.

Wetter:
NW 7-8 Böen bis 10, Windsee 5-6m, Dünung 3-4m, Wellenhöhe 6-7m gemäß Schätzungen des DWD. Die BSU schätzt durch den steilen Anstieg der Wasertiefe von 15m auf 6m, die Brandungszone und die Barre dass vereinzelte Wellenhöhen bis 10m aufgetreten sein können.

Folgen:      Die TAUBE wurde nicht mehr gefunden, 6 von 7 Besatzungsmitglieder sind tot.

Schiff:        Kielschwertyacht mit 8,25m Länge, aus Stahl
                   Kaufpreis deutlich unter € 2000,--, Anm. Motor läuft nicht ....
                   das Boot ist nicht fahrtüchtig. Der Vertrag enthielt den Hinweis
                   daß es sich um kein eingetragenes Seeschiff handelt.

Die durchgeführten Arbeiten wurden von fachkundigen Zeugen insgesamt als laienhaft eingestuft. Es sei mehrfach vergeblich versucht worden die Vereinsmitglieder von ihrem Vorhaben abzubringen...
           
BSU - Insgesamt war die TAUBE demnach als seegehendes Sportboot einzustufen auch wenn erfahrende Segler sie hinsichtlich ihres geringen Freibords und der vermutlich nicht für den Bootstyp ausgelegten Segelfläche sicherlich eher im Binnebereich eingesetzt hätte. Hinzu kamen noch aktuelle Einschränkungen des Betriebszustandes durch Motorprobleme und das Loch im Schiffsrumpf.

Die BSU geht auch ohne konkrete Berechnungsgrundlagen davon aus daß die TAUBE zuletzt regelmäßig überladen und damit aller Wahrscheinlichkeit nach seeuntüchtig war...

Karten:
Unzureichend war hingegen die Ausrüstung mit Seekarten und Handbüchern. Die BSU geht nicht davon aus dass die TAUBE alle erforderlichen Seekarten mitführte. Die geschilderte Reisevorbereitung legt den Schluss nahe, dass Papierseekartenkopien allenfalls für eine Überblick genutzt wurden da man sich maßgeblich auf die Eingabe des nächsten Anlaufhafens im Hand-GPS-Gerät stützte. Aktuelle Informationen über Hafeneinfahrten und Tiefenlinien standen der Besatzung der TAUBE somit kaum zur Verfügung. Durch die BSU konnte nicht zweifelsfrei aufgeklärt werden welches Handbuch auf der TAUBE herangezogen wirde wenngleich einiges dafür spricht daß es eine veraltete Ausgabe des vom BSH herausgegebenen Handbuchs der Westküste Afrikas war. 
   
           
Schiffsführung:   
Bei der anschließenden Fahrt durch den Nord-Ostsee Kanal wurde der Besatzung klar daß ihre Segelerfahrung noch nicht ausreichte und den Törn wie geplant durchzuführen. Das für den Törn, die Weltumsegelung(?), erforderliche Seglerwissen sollten sich die Törnteilnehmer aus Büchern und durch "learning by doing" erarbeiten.
           
Der Schiffsführer hatte seinen Sportbootführerschein See (Der Geltungsbereich ist die 12 sm-Zone) am 11.03.2007 auf dem Bodensee erworben. Die praktische Führerscheinprüfung beinhaltet allein das Fahren unter Motor, nicht jedoch unter Segel.
           
Die praktische Erfahrung im Umgang mit der TAUBE erwarb sich der Schiffsführer im Sinne von "learning by doing" in den Monaten vor dem Unglück. Wie bereits geschildert führte er die TAUBE nach mehrmonatiger Übung auch unter anspruchsvollen Seewetterverhältnissen sicher von einem Hafen zum nächsten. Dies mag zu einem seglerischen Selbstvertrauen geführt haben welches, von außen betrachtet, nicht gerechtfertigt war.
           
Für eine fundierte und besonnene Einstufung der seglerischen Optionen vor dem Auslaufen aus Larache fehlte es dem Schiffsführer an Fachkenntnis und Erfahrung. Der Schiffsführer hatte nach Zeugenangaben keinen Hehl aus seiner geringen Segelerfahrung gemacht.          
           
Das Kentern selbst ist zwar vorrangig auf den Seegang vor Ort zurückzuführen und war insoweit unabhängig von der Segelerfahrung der Crew. Jedoch waren die Entscheidungen, aus Larache aus- und in Mehdia einzulaufen, Folge seglerischer Unerfahrenheit, mangelnder Bordhierarchie und mangelnder Revierkenntnisse.
           
Nach Ansicht der BSU ist es mangeldem Risikobewusstsein geschuldet. Daß sich der Großteil der Besatzung nicht eingehender für die eigene Sicherheit an Bord und die Routenplanung interessierte.

Keiner der Gäste hatte Segelerfahrung. Eine Sicherheiteinweisung fand nicht statt. Einen Großteil der persönlichen Gegenstände und unter anderem die Hafenhandbuchkopie hatte man, aufgrund der beengten Platzverhältnisse, auf dem Kajütendach unter einem mitgeführten Schlauchboot gestaut.

Der deutsche Skipper sei in einem Gespräch mit einem französischen Skipper eindringlich darauf hingewiesen worde, dass bei derartigen Seegangsverhältnissen das Abwettern vor der Küste sicherer sei, als den Versuch zu unternehmen einen Hafen anzulaufen. Darauf habe dieser jedoch erwidert, die TAUBE sei durchaus in der Lage, auch unter solchen Bedingungen einzulaufen. Der Disput habe darin resultiert dass der Schiffsführer der TAUBE die siebenköpfige Besatzung zusammengerufen und gefragt habe ob man auslaufen wolle. Die Crew habe darauf erwidert, sie könne die Situation nicht einschätzen und schließe sich deshalb dem Votum des Schiffsführers an. Dieser entschied sich zum Auslaufen von Asilah nach Larache am 16.01.2009.

Es gibt unterschiedliche Zeugenangaben dazu ob der Schiffsführer am 19.01.2009 von der Sturmwarnung des marokkanischen Wetterdienstes und der damit zusammenhängende Schließung der Häfen Larache, Mehdia und Kenitra Kenntnis erlangt hat. Zum einen wird berichtet, ein Mitarbeiter der Hafenbehörde habe den Schiffsführer persönlich darüber informiert, dieser habe die Warnungen aber nicht ernst genommen und auf seine Erfahrungen in der Nordsee verwiesen. Zum anderen wurde ausgesagt, die Wetterprognose für die Weiterfahrt sei allein anhand des Internet-Vorhersageportals und des Telefonats mit Vereinsmitgliedern in Tübingen erstellt worden. (Internet: bis 14-16 Kn bei Wellenhöhe bis 5,8m für Mediya)

19.01.2009 0945 Sturmwarnung von Maroc Météo 8 Bft See 5-6
Das Auslaufen von Larache erfolgte in Abhängigkeit von der Tide am 19.01.2009 nachts. Zuvor hatte sich der Schiffsführer im kopierten Hafenhandbuch u.a. über die Ansteuerung Mehdia informiert. Ob er die Signale die auf eine Hafensperrung hinwiesen und die jeweiligen Standorte der Signalanlagen kannte ist unklar. Sicher ist, daß die TAUBE beim Auslaufen aus Larache direkt an den beiden Hafensignalstellen (rote Festfeuer), die die Sperre des Hafens signalisierten, vorbeigekommen sein muss. Die Wetterbedingungen verschlechterten sich zusehends und ein Großteil der Crew lag seekrank unter Deck. Trotzdem sah man sich zunächst nicht veranlasst Rettungswesten anzulegen.

Gegen 20.01.2009 1700 näherte sich das Schiff der Mündung des Sebou.
Es wurde weder Funkkontakt zur Hafenmeisterei in Mehdia bzw. Kenitra aufgenommen noch sichtete man die Signalanlage des Hafens, die auf die bestehenden Hafensperrung hinwies. Vor der Mündung des Sebou gelang es zunächst nicht, den Motor (Zustand altersschwach und fraglich) zu starten. Der Ansatz, Hilfe anzufordern scheiterte dran daß das Funkgerät nicht in Betrieb war. Durch die Wucht der Welle wurde ein Kajütfenster zerstört. Durch diese und den Niedergang zur Kajüte, der nicht mit einem Schott verschlossen war, strömte Seewasser ein.

Die Taube kenterte und trieb zunächst auf der Seite liegend mit den Segeln auf der Wasseroberfläche. Die landseitigen Zeugen des Unfalls hatten gegen 1715 per Handy die örtliche Polizei informiert und versuchten Hilfe zu leisten. Die Wassertemperatur betrug 12°C. Die ersten Rettungskräfte erreichten die Molen ca. 10 Minuten später. Auch mit zwei eingesetzten Booten gelang es nicht durch die Brandung zum Unfallort vorzudringen.
 


 

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